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Mein Besuch bei Nietzsche

Also,

der Gegenstand unseres heutigen Vergnügens ist ja Nietzsche.

Ich habe Nietzsche 1893 kennengelernt.

Ich gehörte zu den jungen Schauspielerphilosophen, die, um einen Blick auf Nietzsche zu erhaschen, über die Mauer lugten, sobald ihn seine Schwester in den Garten geschoben hatte. Da war er aber schon ziemlich hinüber. Und dafür verlangte sie dann 2 Groschen. Eine Frechheit war das.

Eines Tages fasste ich mir ein Herz und sprang unter der hohen Sonne, als die Vettel ihr Mittagsschläfchen hielt, über die Mauer.

Tesla hatte gerade in Chicago einen Riesen-Coup gelandet und das hab ich Nietzsche als erstes erzählt. Er guckte nachdenklich durch mich hindurch und sein eines Auge war dabei leicht nach links abgedreht. Ich fand, das ist ein gutes Zeichen und nachdem wir also miteinander warm geworden sind, bin ich dann ans Eingemachte gegangen.

Also, hab ich gesagt, wie finden Sie das:

Sie kommen ins Theater und das Stück fängt an. Ein Schauspieler betritt maskiert und verkleidet die Bühne, schnappt sich einen Zuschauer aus der ersten Reihe und poliert dem erst mal die Fresse...na, das der Nasenbluten hat.

So. Was würde jetzt passieren, was glauben Sie?

Sie sind natürlich erst mal verunsichert, aber dann einigen sie sich darauf, dass das ja nicht echt ist. Ist ja im Theater.

Warum sollte man auch einen Zuschauer ohne Grund verdreschen?

Und wenn das geklärt ist, fänden sie den Anfang ja sogar ganz interessant.

Dann würde das gleich mal gut losgehen - am Anfang.

Hat man selten gesehen, ist mal was Neues, und so weiter..

Das Ergebnis wäre also, das fängt doch erst mal ganz gut an.

So, jetzt müssen Sie sich mal vorstellen, wie krank sie eigentlich schon sind.

Da wird einem Zuschauer, einem von Ihnen, aus der Masse irgend einem, die Fresse poliert - von einem Schauspieler, und sie würden denken, 'das fängt ja erst mal gut an'.

Merken Sie eigentlich, wie krank sie schon sind in ihrer Birne?

'Na, Moment, wir sind ja nicht Schuld, wenn Sie den Zuschauer verkloppen.

Und uns dann erzählen, wie blöd wir wären.

Jetzt wird’s aber verrückt.'

'Richtig. Das ist ja auch gar nicht passiert.

Das war ja ne reine Frage, damit wir überhaupt erst mal anfangen können, uns über Nietzsche zu unterhalten.'

Ich sag ja nur, wie es ist.

Ausserdem war der Zuschauer in der ersten Reihe mein Bruder. Wir machen uns da immer einen Jux draus. Ich hau meinem Bruder aufs Maul, wie jeden anderen Tag auch und die Zuschauer denken:

‚Ach, der Arme, den hat’s aber erwischt. Hätte er sich mal lieber woanders hingesetzt.‘

Also, Theater ist ganz einfach - man muss es sich nur vorstellen können und das mit meinem Bruder war natürlich auch gelogen- ausgedacht. In Wirklichkeit hab ich eine Schwester und wenn ich die verdresche, stellt die sich bockig und macht mir nicht mehr die Wäsche.

Aber es kommt noch besser.

Also, im zweiten Akt nimmt jeder Zuschauer seinem Nachbarn was weg.

Das ist jetzt kein Spass mehr, versteht sich.

Dann stirbt der Clown auf der Bühne, also in dem Fall ICH.

Jetzt könnten Sie sich rächen und auf mir rumtrampeln, aber weil Sie mir meinen Tod nicht glauben, zögern Sie und in der Zeit kann ich mir gut das Blut abwischen und im dritten Akt verschwinden. Und wenn Sie dann endlich auch im ‚Dritten’ sind, bin ich längst zu Hause.

In dem Moment kam Nietzsches Schwester mit einem Stöckchen in der Hand aus dem Haus gerannt und gackerte wie ein abgestochenes Huhn. In ihrer Blödsinnigkeit, stolperte sie über die Füße ihres Bruders und schlug der Länge nach hin, genau auf ihren Zinken.

Na, wer sagts denn? Da lief das Blut aus ihrer Nase über die schönen Steinfliesen dahin.

Und wenn ich’s Ihnen sage, in diesem Moment sah ich, wie Nietzsche lachte.

Er hatte an diesem Nachmittag ein höllisches Vergnügen und ich eine zerrissene Hose.

Natürlich nicht diese hier. Dazu ist es zu lange her.

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