Kunst herzustellen, wird zwangsläufig schon mit dem Gelderwerb des Künstlers gleichgesetzt, der ja von irgendetwas leben muss. Die Folge sind serielle Kunstwerke, die sich an den Marktbedürfnissen orientieren und schliesslich selbst mit dazu beitragen, dass man als Künstler nicht mehr frei von Berechnung und Kalkül produziert.
Ich brauche die Gewissheit, von der Gesellschaft getragen und nicht nur geduldet zu werden, sobald sie sich darüber bewusst geworden ist, dass Kunst ein kulturelles und geistiges Nahrungsmittel ist, ohne dass es keine entwickelte zivile Gesellschaft geben kann.
Meine Aufgabe ist es, Modelle zu entwerfen, die geeignet sind, uns einerseits bewusst zu machen, was bereits aus unserem Bewusstsein aus unterschiedlichsten Gründen entschwunden ist und andererseits Konsequenzen unseres Tuns enthalten, so dass auch vorausschauende Entwürfe auf die Zukunft enthalten sind. Diese Arbeit ist wichtig und kann nur von Menschen geleistet werden, die möglichst frei von Produktions - und Denkroutinen auch Gelegenheit finden, eine Draufsicht auf gesellschaftliche Prozesse zu entwickeln.
Mein Fachgebiet ist wohl das Theater, aber es ist nicht das Einzige was sich ständig selbst erneuern sollte, um in Zukunft auch noch ernstgenommen zu werden.
Wir finden eigentlich überall noch utopisches Potential, was solange nicht gehoben werden kann, solange wir uns in den Mechanismus der Vielproduktion zurückfallen lassen und damit auch die Chancen, die durch die Corona Zwangspause entstanden sind, voreilig verwerfen.
Wir hatten Zeit uns zu besinnen, ungeliebte Gewohnheiten abzustellen, aus dem Stress zu fallen.
Den Menschen, denen diese Veränderung nicht nur Angst eingejagt hat, sondern auch Möglichkeiten eröffnete, einen frischeren Blick auf das Gewohnte zu werfen, blieb ja nicht verborgen, dass wir uns im Laufe der Zeit an Dinge gewöhnt hatten, die wir eigentlich gar nicht wollen. Das könnte man nun korrigieren. Und noch bevor wir zurückfallen in den gewohnten Produktions und - Alltagsstress, sollte man die Ideen bündeln, die Gedanken sammeln, die Vorstellungen, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen in eine vorläufige "Denk-Plastik" giessen. Und diese Plastik flüssig halten. Das Konzept der Befreiung von Angst wird leider gar zu schnell gleichgesetzt mit dem Wiederherstellen einer bekannten Situation und das so schnell wie möglich. Hier möchte ich HALT rufen, es überprüfen, die Zeit haben, nochmal neu zu denken.
Wenn es auch für die gesamte Gesellschaft noch zu früh scheint, die Kategorie Lohn und Arbeit aus dem unsäglichen Bedingungsgefüge zu entreißen, so muss ich doch für den Künstler darauf bestehen, ihn vernünftiger Weise daraus zu entlassen, damit er "unbestechlich" seiner eigentlichen Aufgabe gerecht werden kann. Im Gegenzug sollte er also auch nicht Handel treiben müssen mit der Kunst, sie also der Gesellschaft wohlfeil zur Verfügung stellen. Erst, wenn wir uns das leisten wollen, sind wir der Produktionsgesellschaft näher, die mir allein erstrebenswert erscheint. Ich persönlich möchte mit meiner Arbeit nicht mehr meinen Marktwert steigern müssen, um überhaupt existieren zu können.
Inzwischen ist er ja sogar zu hoch, so dass ihn sich nicht jedes Theater leisten kann. Wie paradox.
Nun sind ja viele Theaterkünstler in Staats- und Stadttheaterstrukturen eingebunden und man reißt sich nach diesen Arbeitsplätzen. Der Grund ist aber nicht, weil man dort bessere Arbeitsbedingungen vorfindet, sondern weil man dort ein sicheres Gehalt bekommt. Diese Sicherheit wird dann gegen andere verteidigt - welch verwahrlostes Anliegen. Nun müssten ja die Theaterstücke, die man mit Schauspielern, Musikern oder Tänzern in diesen abgesicherten Umgebungen produziert, von einer Grossartigkeit sein, von der man in der freien Szene nur träumt, aber das trifft leider nur in Ausnahmen zu, weil ansonsten ein Naturgesetz dort Einzug hält, wo der fabrikähnliche Produktionsfluss die Zeit zur Selbsterneuerung und Weiterentwicklung nicht mehr zur Verfügung stellt - die TRÄGHEIT. Und auf diese Weise wird das Theater selbst wohl immer zu eben jenen Institutionen gehören, die sich nicht aus eigener Kraft modernisieren und weiterentwickeln können, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden. Und das fällt ihnen deshalb so schwer, weil sie gar keine Veranlassung sehen, Gewohnheiten zu überwinden, oder Eingefahrenes aufzubrechen. Man besteht sogar mit einem gewissen Selbstbewusstsein auf die völlig aus der Zeit gefallenen feudalen Hierarchien und befördert mehr das Handwerk als die Kunst. Und auf diese Weise trägt das Theater sogar noch selbst dazu bei, gesellschaftlich nicht mehr relevant oder notwendig zu sein, sondern macht sich mehr und mehr überflüssig. Die kurzlebige Rettung in eine Maschine der Unterhaltungsindustrie, die versucht Gewinne zu erzielen und das Stammpublikum aus früheren Jahren "hochzuerfreuen", ist lächerlich und wird kein nachwachsendes Publikum in die Säle bringen. Aber genug jetzt davon.
Mein Vorschlag also: Die Errichtung eigener Forschungslabore und Spielstätten für ein Theater als „Akademie für plastisches Denken“
Comments